Für Friedrich Merz steht die wohl wichtigste Woche seiner bisherigen Kanzlerschaft an. In den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob Europa im Zollstreit mit den USA eine akzeptable Lösung verhandeln kann – oder ob der Handelskrieg völlig eskaliert, was verheerende Folgen für Wirtschaft und Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks hätte. Die von US-Präsident Donald Trump bereits einmal verschobene Frist für eine Einigung mit der Europäischen Union läuft am kommenden Freitag ab. Sollte es bis dahin keine Einigung geben, drohen pauschale US-Zölle auf alle europäischen Produkte von mindestens 30%, in manchen Wirtschaftszweigen, wie dem Pharmabereich, sogar von bis zu 200%. De facto wäre es das Ende des transatlantischen Handels, wie wir ihn kennen – und damit auch das Ende des Merz’schen Versprechens, für eine wirtschaftspolitische Wende und einen konjunkturellen Aufschwung zu sorgen. Die deutsche Wirtschaft würde in eine tiefe Rezession stürzen und Zehntausende Arbeitsplätze stünden auf der Kippe. Schließlich sind die USA der größte Absatzmarkt für deutsche Exporteure außerhalb des europäischen Binnenmarkts. Kein Wunder, dass Merz in den vergangenen Wochen ungewöhnlich oft zum Hörer gegriffen hat, um mit Trump persönlich die Chancen für eine Einigung im Handelsstreit auszuloten. Es war für Merz ein schmaler Grat, denn der Kanzler beteuerte stets öffentlich, dass die Europäische Kommission mit ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen für die Verhandlungen verantwortlich sei und Berlin die Geschlossenheit der Europäer nicht infrage stellen werde. Friedrich Merz mit Donald Trump am Weißen Haus in Washington am Donnerstag, 5. Juni 2025. Foto: Graeme Sloan/Bloomberg Hinter den Kulissen ließ der CDU-Vorsitzende jedoch immer stärker durchblicken, dass er mit der Verhandlungsführung der Brüsseler Experten unzufrieden war. Lieber ein schnelles und nicht ganz perfektes Handelsabkommen als monatelange Verhandlungen mit ungewissem Ausgang — so lautete Merz’ Devise. Damit scheint sich die Bundesregierung durchgesetzt zu haben. Mittlerweile gilt es als so gut wie sicher, dass es auf ein ungleiches — im Fachjargon asymmetrisches — Abkommen hinauslaufen dürfte. Konkret bedeutet dies, dass die Europäer pauschale US-Zölle von möglicherweise 15% schlucken müssten, während die Amerikaner künftig gar keine Zölle mehr für Ausfuhren nach Europa zu zahlen hätten. Die Berater des Kanzlers zerbrechen sich daher schon jetzt den Kopf darüber, wie sie den Wählerinnen und Wählern ein solches ungleiches, um nicht zu sagen unfaires Abkommen mit den USA als Erfolg verkaufen könnten, sollte es zustande kommen. Man darf sich auf einige kreative Einordnungen und Ausreden gefasst machen. Das größte Problem bleibt Trumps Unberechenbarkeit. Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob der US-Präsident nicht bereits nach ein oder zwei Monaten ein geschlossenes Abkommen mit der EU wieder infrage stellt oder es zumindest durch neue Sonderzölle auf bestimmte Bereiche aushöhlt. Damit wäre aber auch das Argument ad absurdum geführt, lieber ein schnelles und nicht perfektes Abkommen abzuschließen, um so weitere Monate der Ungewissheit zu vermeiden. Mit diesem US-Präsidenten wird es Verlässlichkeit und Planungssicherheit wohl nie geben. Lesen Sie auch eine Auswahl unserer Artikel dieser Woche: Banker heiß begehrt, nicht so voreilig, Untergang der Utopie, zurück zu Stalin und von Power-Nap bis Rotwein. |